Horch was kommt von drinnen raus
Wenn jemand „das Gras wachsen hört“ gilt das gemeinhin nicht gerade als nützliche Qualifikation. Dabei ist ein sensibles Gehör gerade in der Technik von großem Vorteil. Denn nahezu jedes Bauteil kündigt einen bevorstehenden Defekt akustisch an bzw. gibt bei einer Fehlfunktion entsprechende Geräusche von sich. Das Problem: Man muss das Ganze auch hören. So erkennt der Kfz-Experte ein defektes Lager gelegentlich noch mit bloßem Ohr bzw. mithilfe von Großvaters mechanischem Stethoskop. Eine exakte und sensible Fehlerdiagnose ist auf diese Art nur selten möglich, den Verschleiß kann der Fachmann so sicher nicht bestimmen. Dass dies in zahlreichen Fällen wünschenswert wäre, zeigt das Beispiel Tachostand. Experten schätzen, dass zirka 30 Prozent aller Kilometerstände von Gebrauchtwagen „frisiert“ sind. Eine universelle technische Möglichkeit, die wahre Laufleistung von Gebrauchtwagen zu ermitteln, wäre die Lösung. Und die gibt es – mit dem „Tacho-Spion“. Er ermittelt den Verschleißgrad von mechanischen Komponenten, woraus der Profi Rückschlüsse auf die Laufleistung des Fahrzeugs ziehen kann – echte Kilometerstände kann das Gerät jedoch nicht bestimmen. Das Ganze funktioniert so: Jedes mechanische Bauteil erzeugt im Betrieb Geräusche, sogenannten Körperschall. Er ist für jedes Objekt charakteristisch und verändert sich im Falle eines Defekts. Diese Tatsache macht sich der Ultraschall-Spion (siehe Kasten) zunutze. Ein hochempfindliches Mikrofon empfängt die Wellen im Ultraschallbereich von 40 kHz und macht sie für das menschliche Ohr hör- und verborgene Defekte damit „sichtbar“. Das erkannte auch Michael Schmutzenhofer. Als Maschinenbautechniker setzte der Inhaber der Firma H.A.P.S. den Ultraschall-Spion in der Gebäude- und Anlagentechnik sowie bei Stationärmotoren ein. Er stellte fest, dass sich das Gerät nicht nur dazu eignet, Istzustände aufzuzeigen, sprich: defekte Bauteile zu entlarven. Denn auch das Geräuschbild von intakten Motoren und deren Anbauteilen verändert sich im Laufe der Zeit. Schmutzenhofer erkannte: Dokumentierte und katalogisierte er das Ganze, ermöglichte es ihm eine qualifizierte Aussage über den Verschleißgrad und somit über die tatsächliche Laufleistung. 2001 entschloss sich der bekennende Autonarr, die Technik auch bei Kraftfahrzeugen einzusetzen – das war die Geburtsstunde des Tacho-Spions. Jedes Fahrzeug, das er bekommen konnte, vermaß er akustisch und zeichnete die charakteristischen Schalldiagramme mittels Taschen-PC auf – im Neuzustand, gebraucht und verschlissen. So entstand im Laufe der Zeit eine beeindruckende Schalldatenbank: Über 4.000 Fahrzeugmodelle sind darin hinterlegt – Tendenz steigend. Um ein Fahrzeug zu überprüfen, muss der Anwender den Motor „vermessen“. Dazu nimmt er den Tacho- Spion, drückt seine Messspitze für jeweils zirka eine halbe Minute an drei Stellen des Motors (Motorblock/Zylinderkopf) und ermittelt dabei je zwei Messwerte. Anschließend loggt er sich in die Onlinedatenbank von H.A.P.S ein und gibt diese sechs Zahlenwerte ein, nachdem er das Fahrzeugmodell ausgewählt und den abgelesenen Tachostand eingegeben hat. Das Ergebnis des vorliegenden Motorverschleißes wird ihm dann in den Abstufungen geringer Verschleiß, mittlerer Verschleiß, hoher Verschleiß, bezogen auf den Kilometerstand, angezeigt. Ein hoher Verschleiß ist laut Schmutzenhofer ein deutlicher Hinweis darauf, dass eine Manipulation vorliegen und der angegebene Kilometerstand falsch sein könnte. Außer Motoren kann der „Agent“ mit dem Tacho-Spion Bauteile wie Getriebe, Wasserpumpe, Lichtmaschine, Turbolader prüfen und sich deren Verschleißgrad online auswerten lassen. Auch an zahlreichen anderen mechanischen Komponenten sowie an elektrischen (z. B. Zündanlagen), pneumatischen (z. B. Unterdrucksteuerung) und hydraulischen (z. B. Kraftstoff) Systemen kann er das elektronische Ohr zur Fehlersuche einsetzen. Doch dafür benötigt er eine gewisse Portion Gefühl, denn die Prüfungen sind intuitiv. Referenzen, was in Ordnung ist und was nicht, sind in der Datenbank nicht hinterlegt – hier ist die Erfahrung des Anwenders gefragt. Außerdem kann die Werkstatt z. B. verklebte Scheiben oder Dichtungen an Türen/Dächern auf Dichtheit prüfen. Ein im Set enthaltener kleiner Sender dient als Schallquelle. Liegt ein Undichtigkeit vor, empfängt der Tacho-Spion die nach außen dringenden Schallwellen. (c) 2008 Vogel Business Media / www.kfz-betrieb.de